Interview mit Manfred Mertz
Interviewer: Frau B. Ist
MM bereits gehörlos auf die Welt gekommen? Wie verlief seine Kindheit?
MM:
Ja, ich bin bereits gehörlos auf die Welt gekommen. Meine Eltern
sind jedoch hörend. Mein Bruder, der auch gleichzeitig mein Zwillingsbruder
ist, ist auch gehörlos geboren. Meine ersten beiden Geschwister, in dem
Fall Schwestern, können beide hören. Zuerst besuchte ich die Gehörlosenschule
in Schwäbisch-Gmünd, danach habe ich nach Heilbronn gewechselt. Nach
Abschluss meiner Ausbildung zum Textilmaschinenführer wurde ich bei der
Firma DaimlerChrysler AG in Wörth als Montagearbeiter tätig und verrichte
diese Tätigkeit auch heute noch sehr gerne.
Interviewer:
Frau B. Warum trägt MM immer Schwarz?
MM:
Das hat zum einen mit dem Stil eines jeden Menschen zu tun. Der eine
trägt gerne Schmuck, ein anderer trägt gerne Kopfbedeckungen und MM trägt gerne Schwarz. Zum anderen hat es den
Hintergrund, dass ich ja noch
einen
Zwillingsbruder habe. Um uns besser auseinanderhalten zu können, trage ich
mit Vorliebe schwarze Kleidung.
Interviewer:
Frau B.
Wie kam MM zur Malerei?
MM:
Bereits als Kind habe ich leidenschaftlich gerne gemalt, auch in der
Schule. Schon der Lehrer war damals fasziniert und hat mich quasi
beauftragt, für ihn zu malen. Dafür wurde ich dann mit Gutscheinen oder
geringem Entgeld entlohnt. In meiner Kindheit wurden mir sogar das ein oder
andere Mal Bilder gestohlen. So kam ich anfangs zur Malerei. Mein Vater war Maler von Beruf, nicht
jedoch im künstlerischen Bereich. Doch schon damals hat es mich das Mischen
von verschiedenen Farben und der Geruch der Farben fasziniert. Wäre ich nicht gehörlos auf die Welt
gekommen, hätte ich heute vielleicht eine andere Leidenschaft – wer weiß.
Vielleicht wäre ich leidenschaftlicher Musiker geworden oder hätte mich in
einem anderen künstlerischen Bereich ausgetobt. Doch dieser Bereich bleibt
einem Gehörlosen etwas verschlossen und die Kunst ist stark visuell
ausgerichtet und deshalb passt sie zu mir und hat meinen Weg stark geprägt.
Interviewer:
Frau B.
Mit welchen Techniken arbeitet MM?
MM:
Angefangen habe ich mit der Airbrush-Technik. Das wandelte sich,
heute arbeite ich fast ausschließlich mit Ölfarben. Das hat den Grund,
dass man nicht so sehr von der Technik abhängig ist und es lässt sich
einfacher mit den Farben arbeiten. Auch mein Stil lässt sich durch die Möglichkeit,
wie man Ölfarben mischt und welche Ergebnisse damit erzielt werden können,
besser umsetzen.
Interviewer:
Frau B.
Wie erklärt sich der Stil von MM?
MM:
Meine Bilder spiegeln zum Teil meine Seele wieder. Harmonie drückt
sich in farbintensiven und runden Malereien
wieder und Trauer in schwarzweißen
Bildern mit Ecken und Kanten. Die Grundelemente Feuer, Wasser,
Erde und Luft
sind immer Bestandteil
meiner Bilder, sowie der Mensch, der durch seine Natürlichkeit zeitlos
erscheint.
Interviewer:
Frau B. Wodurch unterscheidet sich die Kultur bei Ausstellungen von Gehörlosen
bzw. Hörenden?
MM: Grundsätzlich
gehen Gehörlose untereinander, auch wenn sie sich persönlich nicht kennen,
lockerer um und duzen sich von vornherein. Das liegt an einem gewissen
familiären Gefühl, das unter Gehörlosen herrscht, da sie eine Minderheit
sind. Aufgrund dessen bin ich in der Welt der Gehörlosen auch bereits mit
meiner Kunst bekannt und habe sowohl in der Vergangenheit als auch heute
sehr oft in den kulturellen Kreisen von Gehörlosen ausgestellt.In den kulturellen
Kreisen der Hörenden wiederum ist es schwieriger, Möglichkeiten zu finden,
auszustellen. Das mag zum einen an der großen Vielfalt von Künstlern
liegen, die es dort gibt und den damit verbundenen wenigen Ausstellungsmöglichkeiten.
Wobei ich sagen muss, dass auch im kulturellen Kreis der Hörenden das
Interesse an meiner Kunst immer weiter steigt. Schade, dass es manchmal nur
an sogenannten „Kleinigkeiten“ wie Zeit oder Organisation scheitern
muss. Wenn ich mich für eine „hörende“
Ausstellung bewerbe, wünsche ich mir auch, dass man mich als Künstler
akzeptiert und nicht in erster Linie den behinderten, gehörlosen Menschen
sieht. Denn auch die kommunikative Barriere lässt sich ohne weiteres,
beispielsweise durch einen Dolmetscher beseitigen, den ich oftmals bei Gesprächen
dabei habe.
Interviewer:
Frau B.
Wie kommt es, dass MM manchmal Prominente auf den Ausstellungen
trifft?
MM:
Das Interesse an Kunst wird ja oftmals durch Publikationen in Medien
oder durch sogenannte „Mundpropaganda“ verbreitet. Und so passiert es
beispielsweise, das ich Einladungen für Ausstellungen bei größeren
Veranstaltungen im In- und Ausland erhielt. Dadurch traf ich das ein oder
andere Mal auf prominente Gäste. Ein besonderes
Erlebnis hierbei war für mich beispielsweise, als ich eine Einladung aus
dem Königshaus Schweden erhielt und Königin Silvia kennen lernen durfte.
Interviewer:
Frau B.
Gibt es Menschen, die auf MM neidisch sind?
MM:
Vielleicht. Falls ja, muss man sich ein sogenanntes „dickes Fell“
anlegen. Die Menschen müssten wissen, dass das Künstlerdasein natürlich
auch seine Schattenseiten hat. Ich bin in Vollzeit beschäftigt und opfere
der Kunst meine ganze Freizeit. Bei der ganzen Freude, die ich an der Kunst
habe, habe ich andererseits auch manchmal sehr großen Druck. Es bringt doch nichts,
neidisch auf so jemanden wie mich zu sein. Lieber sollte man diese negative
Energie in positive umwandeln und selbst eine Leidenschaft für sich finden
und darin aufgehen oder auch nicht.
Interviewer:
Frau B.
Wie sieht die Zukunft von MM aus?
MM:
Natürlich werde ich weiterhin meiner Kunst treu bleiben. Des
weiteren würde ich gerne einen Film von und für Gehörlose machen. Doch
mehr möchte ich dazu noch nicht verraten.
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